Distanzierung von der Wirklichkeit
Realität in der Kunst

Malerei
Stefan Bräuniger – Anna Jander –
Ute C. Latzke – Anna Solecka

Skulptur
Volker Schildmann

Eröffnung: 27. August 2010 in der Zeit
von 19.30 bis 21.00 Uhr

Einführung: Nina Hartgenbusch M.A.

Dauer der Ausstellung:  27. August
bis 2. Oktober 2010


Einladung
Presseinformation
Rezension WZ vom 30. 08.


Rose LXLIV, 2007, Öl auf Leinwand,90 x 90 cm

Stefan Bräuniger

Die Pflanzenteile in den Bildern von Stefan Bräuniger begegnen uns in extremer Nahsicht. Auf diese Weise wirken die Blumen ins Riesenhafte monumentalisiert. Zugleich entsteht eine besondere Art der Nähe zum Sujet. Dem Betrachterblick gelingt es, in diesen Vergrößerungen Details wahrzunehmen, die ihm bei der gewöhnlichen Naturansicht wohlmöglich verborgen bleiben. Denn diese Blütenköpfe sind so realistisch, dass man meint, nur ihr charakteristischer Duft fehlt, um sie zum Leben zu erwecken. Auf der Basis von Fotografien sind sie entstanden, also auf der Grundlage von naturgetreuen Abbildern. Doch scheint es in der unberührten Natur nicht solch eine ausgewogene Harmonie von Farben und Formen zu geben, in der Komposition und in der Wahl des Ausschnitts offenbart sich der Eingriff der Hand des Künstlers.


Figueroa Street, 2009, Öl auf Lw, 100 x 100 cm (Ausschnitt)

Anna Jander

Die Künstlerin Anna Jander verbrachte im Winter 2006/2007 zwei Monate in Los Angeles und Umgebung, was sie zu den Großstadtbildern und Landschaften der Einöde in der Wüste anregte. Als langjährige Malerin bei Trickfilmen interessiert sie dabei die Beziehung zwischen Malerei und Film. Und in der Tat erscheinen die Arbeiten wie Ausschnitte eines Films. So erhalten die Straßenbilder durch grobe Strichführung und pastosen Farbauftrag eine Verwischung, als sei die Bewegung in einem Film ins Bild gebannt. Die Unschärfen verdeutlichen den flüchtigen Augenblick. Die verschwommenen Konturen übermitteln einen zeitlichen Verlauf im Bild, wie er sonst nur im Film dargestellt werden könnte.


Lucinda van Beethoven is colorblind – got lost out there, 2009, Acryl auf Lw, 50 x 60 cm (Ausschnitt)

Ute C. Latzke

Die Werkreihe „got lost out there“ der Künstlerin Ute C. Latzke präsentiert Figuren, die völlig losgelöst von ihrer Umgebung erscheinen und schutzlos wirken. Die Szenerie um sie herum hat etwas Unwirkliches an sich, oft tangiert sie die Individuen nicht, die wiederum traumgleich in ihr verharren, bewegungslos und anonym. Und dennoch scheinen sie eine Geschichte zu erzählen, ihre Haltung, Mimik und auch das Geschehen im Hintergrund verraten es. Doch diese Narration – es scheint ein Drama, etwas Schreckliches zu sein – bleibt dem Betrachter verborgen. Dieser Umstand regt im höchsten Maße die Phantasie des Betrachters an, der sich zunächst fragt, was passiert ist und darauf eine Antwort zu finden sucht.

 


Maria sitzend, 2010, Acryl, Pigment, Öl auf Lw,
100 x 120 cm (Ausschnitt)

Anna Solecka

Die Bilder von Anna Solecka erinnern stark an Fotonegative, die man gegen das Licht hält, um ihr Motiv zu erkennen. So ist die Farbpalette sehr beschränkt, es dominieren zwei Töne – ein dunkler und ein heller – um das Sujet darzustellen. Die zunächst vermutete Offensichtlichkeit ist jedoch nur eine Täuschung. Denn manchmal kommt es vor, dass Konturlinien fehlen. Hier vervollständigt der Betrachter in seiner Imagination automatisch die Form: Mal sind es Teile der Beine einzelner Figuren, dann wieder Aspekte von Vegetation. Weil wir als Betrachter wissen, wie die reale Welt aussieht, sind wir dazu in der Lage. Es scheint, als sei das Bild an diesen Stellen so voller Licht, dass es alles andere überstrahlt und diese Leerstellen im Bild erzeugt. So sind diese Arbeiten vorrangig aus Licht und Schatten geformt.

Drei Grazien, 2007, Alabaster, ca.25 cm

Volker Schildmann

Die plastischen Figuren von Volker Schildmann bestechen auf den ersten Blick durch ihre Realitätsnähe. Nicht zuletzt trägt dazu auch die Lebensgröße einiger Arbeiten bei, aber auch die farbige Fassung, die sich bei den Akten an dem Kolorit des Inkarnats orientiert, teils angereichert durch bunte Kleidungsstücke. So treten diese Figuren dem Betrachter als vermeintlich naturnahe Abbilder seiner selbst gegenüber. Jedoch bleibt diese Farbigkeit vereinfacht: So überzieht zum Beispiel die hautfarbene Bemalung ohne Farbabstufung die ganze Figur. Bei genauerem Hinsehen nimmt man jedoch – vor allem bei den kleineren Stücken – eine Übersteigerung körperlicher Merkmale wahr, die den Figürchen einen ironischen oder vielleicht sogar karikaturistischen Aspekt verleihen.