WAGNIS WIRKLICHKEIT
Realismus in der zeitgenössischen Kunst, 16 Künstlerpositionen
Eröffnung: Freitag, 28. November 2008 von 19.30 - 21.30 Uhr,
Einführung: Susanne Buckesfeld M. A.
Ausstellungsdauer: 28. November 2008 bis 17. Januar 2009
Einladung
Presseinformation
Eröffnungsrede
Rezension WZ vom 13. Dezember 2008
Rezension ArtProfil - Magazin für Kunst, Heft 6/2008
Wagnis Wirklichkeit
Dem Wagnis Wirklichkeit gibt sich die Kunstwelt schon seit langem hin. Aller Avantgarden des letzten Jahrhunderts zum Trotz ist die künstlerische Auseinandersetzung mit der sichtbaren Realität bis heute aktuell geblieben – ja man kann sagen, dass sie erst seit den 1990er Jahren tatsächlich zu voller Breitenwirkung erblüht ist. Der enorme Boom in der realistischen Malerei wurde um die Wende zum neuen Jahrtausend häufig mit der Rede vom wiederholt prognostizierten Ende der Kunst in Verbindung gebracht, das damit ein für alle Mal für null und nichtig erklärt wurde, denn die Malerei spross aus allen Ecken und Enden und war offensichtlich quicklebendig. Mit der Vielzahl der neuen Positionen und Handschriften zahlreicher noch jüngeren Künstler – man denke nur an die Leipziger Schule – ging eine Ausweitung des Realismus-Begriffs einher, der eine schier unendliche Zahl darstellerischer oder verfahrensspezifischer Möglichkeiten aufnahm, während er von Anfang an theoretisch unscharf gebraucht wurde. Unsere aktuelle Ausstellung mit Malerei und Skulptur von insgesamt sechzehn zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern spiegelt die ganze Bandbreite realistischer Kunst der Gegenwart.
Die menschlichen Holzfiguren im Miniaturformat von Cornelia Brader wirken gleichermaßen rührend wie hilflos. Auf den Bruchteil unserer eigentlichen Größe reduziert, hat die Künstlerin sie solcherart aus einem Holzstück geschält, dass ihnen ein kleiner Sockel festen Stand gibt. Nackt oder nur mit wenigen provisorisch scheinenden Kleidungsstücken bedeckt, sind die Figuren der Wirklichkeit nahezu ungeschützt ausgesetzt.
Stefan Bräuniger zeigt uns in seinen Gemälden Blütenköpfe aus der Nahsicht. Seine zuvor fotografierten „Wicken“ füllen das ganze Bildformat und reichen darüber hinaus, so dass neben dem objektiven, der sichtbaren Wirklichkeit verpflichteten auch ein abstrahierender Blick eingefordert wird. Vor neutral grauem Hintergrund changiert die Palette von Weiß über Flieder und Violett; die Blüten sind nach einem sehr ausgewogenen Kompositionsschema angeordnet. Die Harmonie der Farben und Formen in der Malerei Bräunigers entspricht jener der sommerlichen Wicken.
Auch Ruth Bussmann nimmt die Fotografie zu Hilfe für ihre sich zwischen Realismus und Abstraktion positionierenden Malerei. Anders als Bräuninger geht es ihr dabei um eine sorgsame Reduktion von Details, ohne den Bezug zur Wirklichkeit aus dem Auge zu verlieren. In die leere Bühne des abstrakten Bildgrundes platziert Bussmann einige wenige Figuren, deren Verhältnis zueinander auch durch die spezifische Farbgebung der Malerei charakterisiert wird. Die Wirklichkeit ihrer Figuren ist weniger äußerlich manifest, als dass sie in der ästhetischen Erfahrung der Gemälde selbst spürbar wird.
Die Quelle für Enda O’Donoghues fotorealistischer Malerei sind digitale Fotografien, die der Künstler vornehmlich im Internet vorfindet und in das Medium der Malerei überträgt. O’Donoghues bezieht sich damit auf eine Realität, die mehr und mehr bildlich übermittelt wird und selbst nur noch als immaterielles, da digitales Bild vorhanden ist. Seine Kunst kommentiert damit nicht nur die Bilderflut der Gegenwart, sondern zeigt auch, wie sich unser Verhältnis zur Realität verändert hat, die nur noch als Bild existent ist.
Die realistische Malerei von Michael Oliver Flüß spielt mit optischen Irritationen, die durch die Verknüpfung von einander in der Wirklichkeit ausschließenden Gegenständen entsteht. Formale Ähnlichkeiten der Dinge sind hier der Anlass für alogische Verknüpfungen, die in ihrem surrealistischen Potential über die Realität hinausweisen, indem sie – vergleichbar mit Magritte – die Wirklichkeit der Malerei zum alleinigen Maßstab erheben.
Auch die Skulpturen spielender Kinder von Gregor Gaida entfalten mittels einer augenscheinlichen Naturgetreue ihre irritierende Wirkung. Die geradezu naturalistische Erscheinung der Kinder wird durch die geweißte Oberfläche des Materials gebrochen, so dass eine abgründige Realität aufblitzt. Die Kinder scheinen in ihr Spiel versunken, die Gesichter ihrer geneigten Köpfe bleiben im Verborgenen.
In den Interieurs von Young-Bae Kim spielt das Licht eine herausragende Rolle. So menschenleer die Räume sind, so belebt scheinen sie doch durch den Lichteinwurf zu sein, der jedoch weniger an fotografische Vorlagen als an die Techniken alter Meister wie Vermeer erinnert. Gleichsam der Zeit entrückt und wie von einer anderen Welt scheinen daher seine Zimmer mit Ausblick.
Obwohl der feine Pinselduktus den Dingen auf der Leinwand Klarheit verleiht, handelt es sich bei der Malerei von Marcin Kowalik nur bedingt um realistische Malerei. Zwar scheinen die Dinge einer Realität entnommen, doch ist diese nicht die unsrige. Vielmehr scheint Kowalik den Surrealisten vergleichbar hinter die Dinge zu schauen, um uns ihre Fragwürdigkeit zu präsentieren.
In der Malerei Markus Lörwalds vermischen sich abstrakte und realistische Bildebenen, so dass die Räumlichkeit seiner Gemälde uneindeutig bleibt. Farbflächen schieben sich übereinander, werden von Einsprengseln, gestischen Elementen und nur angedeuteten Konturen undeutlicher Gegenstände überlagert. Dorthin platziert Lörwald seine Figuren, die einer anderen Ebene der Realität entstammen und mit den abstrakten Bildebenen kaum in Verbindung stehen.
Einer fotorealistischen All-over-Struktur gleichen die großformatigen Aquarelle von Thomas Schiela, denen ebenfalls Fotografien zugrunde liegen. Die zur Perfektion getriebene Technik der Aquarellmalerei ist mit der Fotografie insofern verwandt, dass sie die Eigenarten des Lichtes einzufangen vermag. Während die Künstler vergangener Jahrhunderte dies mit Aquarell skizzierten, hat Schiela mit seinen großformatigen Gemälden die Technik ins Repräsentative überführt.
Kerstin Schulz bedient sich in ihrer Kunst einer anderen Aneignung der Wirklichkeit. Möglichst nah am Leben selbst sind ihre Skulpturen, indem die Künstlerin solche Alltagsgegenstände wie Stehpult oder Leiter stellenweise mit Bleistiften überzieht, deren Spitzen sich uns wie zum Gebrauch entgegen strecken.
In ihrer spezifischen Ei-Tempera- und Öltechnik siedelt Marion Anna Simon ihre Kunst zwischen Malerei und Zeichnung an. Überwiegend sind es nur die Konturen der gezeigten Personen, die Simon rasch nachzieht und nur stellenweise koloriert, so dass Räumlichkeit im Bild entsteht. So macht Simon klar, dass es eine unüberbrückbare Differenz zwischen der Realität und der Malerei gibt.
Die Motive von Susanna Storch entstammen allesamt Fotografien von Menschen, die die Künstlerin in einem vielsagenden Moment zu bannen vermag. Den Gehalt dieser Momentaufnahmen vermag sie in das Medium der Malerei zu transportieren, wobei ihr farbliche Reduktionen und Akzentuierungen dabei helfen, die gewünschte Wirkung zu unterstreichen.
Marc Tscharkowskys Bildwelten
entstammen den Bildarsenalen der Populärkultur, von denen auch die Farbgebung seiner kruden Malweise befeuert wird. Als Abziehbilder der Sehnsucht im Bonbongewand sind sie die ständigen Begleiter unserer Realität. Sie erzählen in beredter Sprache von unseren Träumen und Wünschen wie auch von deren Scheitern.
Mathias Weis wendet sich in seiner auf Fotografien beruhenden Malerei den tiefen Kontrasten zwischen Licht und Schatten zu. Das nahezu altmeisterliche Kolorit wird von einem pastosen Farbauftrag gebrochen, so dass den Motiven eine Textur verliehen wird, die die Fotografie niemals erreichen kann.
In eine ornamental zu nennende Bildstruktur setzt Meike Zopf Fragmente figürlicher Darstellungen ein, mit denen sie einen explizit weibliche Bildkosmos erschafft. Frauen und Mädchen sind es, die Zopf uns zeigt und in eine traumhaft-poetische, abstrakte Farbwelt setzt, deren innerbildliches Verhältnis zu den Figuren jedoch nicht ohne eine gewisse Härte, zuweilen sogar Brutalität ist.
Susanne Buckesfeld M.A.