Wuppertaler Museumsnacht
Kai Fobbe
Kirchenfenster – Das Un-/Sichtbare
26. September 2009
zwischen 18 und 24 Uhr
auf der Gartenterrasse
Kirchenfenster – Das Un-/Sichtbare
Der Videokünstler Kai Fobbe zeigt anlässlich der diesjährigen Wuppertaler Museumsnacht seine visuellen Kompositionen auf der Gartenterrasse der Galerie Epikur. Dabei hat er pornografisches Material mit Hilfe digitaler Techniken so stark verfremdet, dass der Inhalt zunächst verborgen bleibt. Übrig sind tonlose bunte Bildpunkte, die sich mit- und gegeneinander bewegen, und die ursprüngliche Form, die sie nur noch umschreiben, manchmal nur erahnen lassen. Die kleinen Bildpunkte sind ebenso eckig wie Mosaiken eines alten Glasfensters, bei dem einzelne bunte Glasstücke durch Blei verbunden sind. Mehrere Einzelsequenzen schließen sich in Gestalt eines großen Kirchenfensters zusammen. Jede Einzelfrequenz entspricht dabei in ihrer Form der traditionellen Bildergeschichte eines solchen Kirchenfensters, das in ähnlicher Weise unterteilt ist. Wo sonst Licht buntes Glas getrennt durch Bleistege durchdringt, zeigt sich hier digitales Leuchten. Von traditionellen Techniken und christlichen Inhalten weicht Fobbe somit ab. In diesem Kontrast von pornografischem Material und Kirchenfenster liegen – wenn man denn durch längeres Betrachten der Pixel den ursprünglichen Inhalt zurück gewonnen hat – Anstoß und Provokation der Videoinstallation. In diesem Moment wird der Betrachter vom Inhalt-Suchenden zum Voyeur. Da der Mensch in dieser Verfremdung des ursprünglichen Bildmaterials aber nur erkennt, was er kennt, fühlt er sich gleichzeitig bloßgestellt und überführt. Die Erreichbarkeit des Betrachters spielt dabei eine große Rolle, wie intensiv und genau er bereit ist zu schauen. Denn der pornografische Inhalt ist alles andere als plakativ. Dem unvoreingenommenen Betrachter – der Sie mit dem Lesen dieses Artikels nun nicht mehr sind – fällt in erster Linie das Kirchenfenster als solches auf. Er blendet die Bewegung aus, er hinterfragt nicht unmittelbar, was zu sehen ist. Damit bleibt er auf der ersten Seh-Ebene stehen, was er auf den ersten Blick sieht und erkennt, reicht ihm aus. Es ist genug, dass der Betrachter erkennt, was er unmittelbar sieht; es muss nicht das Dargestellte sein. Damit verändert sich der Kontrast von Pornografie und Kirche auf dieser Ebene von Provokation hin zur Darstellung einer modernen Form des Kirchenfensters. Denn fast scheint es, als sollte der Inhalt nicht erkennbar sein, so dass am Ende nur die Erscheinung des Kirchenfensters bleibt. Es herrscht aber auch keine Täuschung des Betrachters vor, denn er bestimmt die Art seiner Erreichbarkeit selbst. Er entscheidet, ob er bereit ist, sich auf weiteren Ebenen auf die Videoinstallation einzulassen, genau hinzusehen, sich Zeit zu lassen das Rätsel zu lösen, oder ob ihm der äußere Schein ausreicht. Es bleibt auch die Frage, was Provokation heute noch ist. Schließlich befindet sich dieses „Fenster“ außerhalb eines sakralen Raumes, es ist kein sakrales Buntglasmosaik im eigentlichen Sinne und auch das Kirchengebäude als solches hat immer weniger gesellschaftliche Bedeutung. Hinzu kommt die Abstraktion und damit verbundene Assoziationsbreite, weil hier die realen Bilder vom ehemaligen Informationsgehalt so weit getrennt sind, dass einst Sichtbares – teilweise auch durch Fehldeutungen – fast unsichtbar wird. Ist dies also überhaupt der Versuch einer Provokation, oder ist die Verschleierung des Inhalts vorrangig? Auch die Frage, was ein Film ist, erfährt hier eine neue Antwort. Denn die Videoinstallation beinhaltet nur Bewegung, hat aber weder Anfang noch Ende, sondern präsentiert sich in Endlosschleife. Durch die Projektion auf Leinwand bekommt es zudem die Anmutung von einem bewegten Bild. Was wird hier präsentiert? Ist es Gattungs-Experiment oder Neuinterpretation eines traditionellen Themas?
Nina Hartgenbusch, M.A.